Prof. Dr. Karl-Werner Hansmann

Die Crux mit den Wirtschaftsprognosen

01.04.2010

Im ersten Quartal eines jeden Jahres erleben wir eine Hochkonjunktur der verschiedensten ökonomischen Prognosen. Sehr beliebt sind Jahresprognosen der Aktienkurse sowie die jährlichen Prognosen des Wirtschaftswachstums, auf die ich mich im Folgenden beschränken möchte. Um die Problematik solcher  Prognosen zu beleuchten, soll zunächst die Treffgenauigkeit der Vorhersagen, die zu Beginn des Jahres 2009 abgegeben wurden, geprüft werden. Bei der Prognose des Wirtschaftswachstums, also der Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes (BIP), für das Jahr 2009 lagen 14 Institutionen, zu denen die bekannten Forschungsinstitute aber auch Bundesregierung und EU-Kommission gehören, erheblich daneben. Ihre Prognosen wurden auf eine Stelle hinter dem Komma genau angegeben und sahen im Durchschnitt für 2009 einen Rückgang des BIP um 1,3% voraus. In Wirklichkeit schrumpfte die Wirtschaftsleistung um nicht weniger als 5%. Kein Institut kam an diesen Wert auch nur annähernd heran.

Um diese Fehlprognosen zu verstehen, muss man näher auf die verwendeten Methoden eingehen. Grundlage für jede wissenschaftliche Prognose  einer ökonomischen Größe, sei es Wirtschaftswachstum, DAX oder Ölpreis, sind die Vergangenheits-Werte dieser Größe, die in einem mathematischen Modell miteinander und mit anderen Größen so verknüpft werden, dass der zukünftige Wert daraus abgeleitet werden kann. Dies setzt jedoch voraus, dass die in der Vergangenheit festgestellten Gesetzmäßigkeiten auch in Zukunft gelten. Wir nennen diese Hypothese „Zeitstabilität“ und sagen damit voraus, dass morgen wieder die Sonne aufgeht und nach dem Schnee der Frühling kommt.

Die Gesetze der Wirtschaft sind jedoch derartig komplex und veränderlich, dass die Zeitstabilität nur eingeschränkt gilt und man selbst mit den von uns entwickelten mathematischen Methoden nur begrenzt von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen kann. Trotzdem wird diese sog. Trendextrapolation  gern und häufig angewandt. In „stabilen“ Zeiten führt die Methode zu ganz ordentlichen Ergebnissen, allerdings nie so genau, dass man das Wirtschaftswachstum auf eine Stelle hinter dem Komma voraussagen könnte.  Die Angabe solcher Kommastellen täuscht  eine Genauigkeit vor, die mit den ökonomischen Prognosemethoden überhaupt nicht erreicht werden kann.

Viel schwieriger ist die Situation, wenn die Zeitstabilität auf Grund eines Strukturbruchs, wie es z.B. die Finanzkrise  ab 2008 darstellt, nicht gegeben ist.  Da die gängigen Prognosemodelle die Wirkung des Crashs der Finanzmärkte auf die reale Wirtschaft nicht abbilden können, führten sie 2009 zu unbrauchbaren Ergebnissen und damit zu den oben erwähnten drastischen Fehlprognosen. Was kann man nun tun, um solche Fehlprognosen in Zukunft zu vermeiden?

Formal ist zunächst die oben erwähnte Scheingenauigkeit abzuschaffen. Prognosen sollten nur als Bandbreiten und nicht mit Stellen hinter dem Komma abgegeben werden. Inhaltlich gibt es vielversprechende neue Ansätze zur Prognose von Crashs und ihrer Wirkung auf die Realwirtschaft. Crashs kommen nicht wie der Blitz aus heiterem Himmel und sind daher unvorhersehbar, sondern sie sind das bittere Ende von „Preis-Blasen“, die sich vorher z.T. über Jahre auf Finanz-, Immobilien- oder Aktienmärkten aufgebaut haben. Diese Blasen sind immer verknüpft mit Euphorie, Herdenverhalten und enger Vernetzung der handelnden Personen, die sich gegenseitig wie Lemminge beeinflussen. Ich hoffe, dass es uns in nächster Zeit gelingt, diese menschlichen Verhaltensweisen in quantitative Prognosemodelle zu übertragen, damit die Gefahren von Blasen rechtzeitig zu erkennen und nachfolgende Crashs zu verhindern.

Wichtige Daten für meine Prognosemodelle beziehe ich von http://de.statista.com.